Der Waldrapp geht auf große Reise
Ein geierähnliches, kahles Gesicht mit einem langen roten Schnabel – und dazu die strubbeligen Nackenfedern, die manchmal wie eine abgefahrene Frisur zu Berge stehen. Der Waldrapp ist schon ein komischer Vogel. Jetzt kehrt er nach Deutschland zurück. Denn hier war er früher schon mal zu Hause.
Die Internationale Rote Liste sagt: Der Waldrapp ist "stark bedroht" und in Deutschland bereits ausgestorben. Warum?
Mehr über die Rote Liste und die verschiedenen Gefährdungsstufen erfährst du hier.
Der Waldrapp ist ein Zugvogel, der bis vor 400 Jahren auch in Mitteleuropa heimisch war. Doch weil er gejagt und verspeist wurde, ist der Kahlkopf in freier Wildbahn fast ausgestorben. Nur in Marokko, Spanien, Österreich und der Türkei gibt es noch Waldrappe, die allerdings nicht umherziehen.
Jetzt soll der Waldrapp bei uns wieder als echter Zugvogel angesiedelt werden. Europäische Naturschützer kümmern sich darum und der WWF ist auch dabei.
Schon gewusst?
Waldrappe begrüßen sich, indem sie sich voreinander verneigen und laut „chrupp-chrupp“ rufen.
Von Menschen großgezogen
Im bayerischen Burghausen und im Land Salzburg in Österreich gibt es bereits zwei Brutstandorte für Waldrappe. Nun werden seit 2017 auch in einem Camp in Überlingen (Baden-Württemberg) wenige Wochen alte Jungvögel von Hand aufgezogen, um sie auszuwildern. Sie stammen aus Nachzuchten österreichischer Tierparks.
Der WWF Deutschland hat für zwei der Waldrapp-Jungen eine Patenschaft übernommen. Sie heißen "Sky" und "Hope", zu Deutsch "Himmel" und "Hoffnung". Das passt ja gut!
Anne und Corinna sind die Adoptivmütter der Waldrappkinder. Sie kümmern sich um die jungen Vögel. Sie bringen ihnen bei, wie sie ihr Futter – Würmer und andere Kleintiere, aber auch Pflanzliches – aufnehmen und vor allem, wie sie es selbst auf Wiesen und Äckern finden können. Als Leibspeise gibt es von den Menschenmamas Mehlwürmer.
Flugunterricht beim Waldrappteam
Lernen vor dem großen Flug
Zugleich bereiten die Ersatzmuttis die jungen Waldrappe spielerisch auf eine ganz große Reise vor. Denn im August sollen sie zum großen Flug über die Alpen starten – in das Überwinterungsgebiet in Italien.
Da sie keine Eltern haben, die ihnen den langen Weg zeigen könnten, müssen das die Menschen tun. Also werden Anna und Corinna, zusammen mit zwei Piloten, in ein Ultraleichtflugzeug steigen und die jungen Waldrappe auf ihren Flug in den Süden begleiten.
Damit das klappt, werden die jungen Vögel zuvor im Überlinger Camp trainiert, einem Fluggerät zu folgen. „Kommt Waldis, kommt kommt“, rufen die Muttis dabei immer wieder, damit sich die Vögel an das Fluggerät gewöhnen. Denn bis August müssen alle „Waldis“ gute Flieger sein.
Der Flug über die Alpen
Im August fliegen die trainierten Jungtiere dann los, so wie ihre Vorgänger ein Jahr zuvor (im Bild oben). So einen Flug über die Alpen schaffen die jungen Waldis natürlich nicht in einem Rutsch, sie brauchen bis zu drei Wochen dafür. Dazwischen wird immer gerastet und geschlafen.
Ziel in Italien ist das WWF-Naturschutzgebiet Laguna di Orbetello in der Toskana. Dort leben schon einige Waldrappe. Nun hofft das ganze Waldrapp-Team, dass die jungen Ankömmlinge aus Deutschland sich in der Kolonie dort wohlfühlen werden.
Auf ihrem ersten Flug merken sich die jungen Waldrappe die Strecke und vergessen sie nie wieder. Wenn sie dann mit zwei, drei Jahren erwachsen sind, schaffen sie allein den Flug von Italien zurück nach Deutschland, um zu brüten.
Wenn alles gut geht ...
... werden 2019 die ersten Waldrappe mit Sendern den Weg zurück über die Alpen nach Deutschland finden, um zu brüten. Das Wissen über die Flugstrecke werden sie dann an ihre Kinder weitergeben. Auf diese Weise, so hoffen die Waldrapp-Forscher, wird sich der einst ausgestorbene Zugvogel wieder in Mitteleuropa ansiedeln. Ziel des Projekts ist es, dass bald wieder mindestens 120 wilde Waldrappe in Mitteleuropa leben.
Bauplan der Natur
Ein Waldrapp
• wird bis zu 1,5 Kilogramm schwer,
• bis zu 75 Zentimeter groß und
• hat eine Flügelspannweite bis zu 1,25 Meter.
Auch wenn er etwas Ähnlichkeit mit Geiern hat: Der Waldrapp gehört zu den Ibisvögeln, er ist kein Aasfresser. Er verspeist Insekten, Würmer, Schnecken und Käferlarven, Spinnen und manchmal auch Frösche oder Mäuse. Außerdem frisst er verschiedene Pflanzen.