Wilde Wisente
Mächtiger Kopf, große Hörner und riesige Schultern: Wisente sind ganz schön eindrucksvoll und die größten und schwersten Landsäugetiere Europas. Es gibt nur wenige Gebiete, wo diese Wildrinder genug Platz zum Leben finden. Trotzdem leben heute so viele wilde Wisente wie seit langer Zeit nicht mehr.
Vor 100 Jahren waren Wisente in Europas Wildnis ausgerottet. Jetzt kehren sie zurück.
So konnten Wisente überleben
Einst lebten Wisente in vielen Gegenden Mittel-, West- und Südosteuropas. Doch schon vor über 1.000 Jahren starben die Wildrinder in weiten Teilen Europas aus. Durch die Abholzung von Wäldern und die Umwandlung der Flächen in Äcker und Weiden verloren die Wisente wichtige Lebensräume.
Hinzu kam, dass die großen Tiere als Nahrung von den Menschen gejagt wurden oder weil sie Schäden auf ihren Äckern anrichteten. Bereits vor rund 200 Jahren gab es in Deutschland keine frei lebenden Wisente mehr. Vor etwa 100 Jahren waren sie in ganz Europa verschwunden.
Doch einige wenige Wisente überlebten in Zoos und Tierparks. Zu dieser Zeit wurde damit begonnen, diese letzten Wisente zur Paarung zusammenzubringen und sie später in Gebieten Polens und Russlands auszuwildern, wo sie ursprünglich ihre Heimat hatten. Das rettete die ganze Art vor dem Aussterben.
Heute gibt es wieder mehr als 8.000 frei lebende Wisente in zehn Ländern: in Aserbaidschan, Deutschland, Litauen, Lettland, Polen, Rumänien, Russland, der Slowakei, der Ukraine und Weißrussland.
Schon gewusst?
Wisente sind Wildrinder. Männliche Bullen können fast eine Tonne wiegen, das ist viermal so viel wie ein ausgewachsener Löwe!
Wo sich Wisente wohlfühlen
Wisente leben in Wäldern mit offenen Lichtungen und einem großen Angebot an verschiedenen Pflanzen wie Gräsern, Sträuchern und Laubbäume. Oft ziehen Wisente auch auf Weiden und Äcker, die von Menschen bewirtschaftet werden. Im Kaukasus-Gebirge wandern die Tiere zum Grasen auf die baumfreien Bergwiesen.
Schon gewusst?
Wisente werden auch Europäische Bisons genannt. Sie sind eng verwandt mit den Amerikanischen Bisons (im Bild).
So leben wilde Wisente
Wisente leben in Herden von bis zu 20 Kühen, Kälbern und älteren Jungtieren. Eine Herde wird von der Leitkuh angeführt.
Die erwachsenen Bullen leben allein und kommen nur in der Paarungszeit zur Herde. Im Spätsommer suchen sie nach Kühen, mit
denen sie sich paaren können. Häufig kommt es dabei zu Kämpfen zwischen den Bullen. Dabei können sich die Tiere schwer verletzen. Der Gewinner paart sich mit mehreren Kühen aus der Herde.
Manchmal kämpfen auch zwei Kühe miteinander, zum Beispiel, wenn beide eine Gruppe anführen wollen.
Wenn der Nachwuchs kommt
Neun Monate nach der Paarung verlässt die Wisentkuh ihre Herde, um in einem sicheren Versteck ihr Jungtier auf die Welt zu bringen. Bereits kurz nach der Geburt stellt sich das Neugeborene auf seine Beine, um bei seiner Mutter Milch zu trinken. Nach wenigen Tagen kehren die Wisentkuh und ihr Kalb gemeinsam zurück zur Herde.
Mit einem Jahr ist das Jungtier selbstständig, bleibt jedoch noch in der Nähe seiner Mutter, bis es mit etwa vier Jahren selbst Nachwuchs bekommen kann. Wisentkühe bleiben oft ihr ganzes Leben in der gleichen Herde. Bullen verlassen die Gruppe und ziehen allein weiter.
Mehr Grünzeug, bitte!
Wisente sind Pflanzenfresser. Pro Tag verputzen sie bis zu 60 Kilogramm Gräser, Kräuter, Blätter, zarte Äste, Moose und Baumrinde. Das ist so viel wie etwa 300 Äpfel oder zehn große Wassermelonen. Besonders beliebt sind die jungen Triebe von Laubbäumen wie Buchen, Eichen, Weiden und Eschen. Vor allem im Winter schälen Wisente die Rinde von Laubbäumen.
Schon gewusst?
Das Abschälen der Rinde kann bei älteren Bäumen dazu führen, dass sie absterben. In Wäldern halten Wisente damit große Flächen offen und sorgen dafür, dass dort auch Pflanzen wachsen, die auf viel Licht angewiesen sind. Mit ihrem Dung verbreiten sie außerdem die Samen der Pflanzen, die sie gefressen haben.
Der Fellwechsel
Ihr dichtes, langes Fell schützt die Wisente im Winter vor eisiger Kälte und hält sie schön warm. Jedes Jahr im Frühling löst sich die Unterwolle des Fells und hängt in großen Stücken am Körper, bis es von den Wisenten abgestreift wird. Dafür scheuern sie sich an Bäumen oder nehmen ein ausgiebiges Sandbad. Im Herbst wächst den Wisenten ein neues Winterfell.
Bauplan der Natur
Der männliche Wisent wird
- bis zu 1.000 Kilogramm schwer
- bis zu 200 Zentimeter hoch (Schulterhöhe) und
- bis zu 300 Zentimeter lang (Kopf und Rumpf).
Dichtes Fell
Das zottelige Fell ist kastanien- bis dunkelbraun. An Nacken, Hals und Brust sind die Haare länger als am übrigen Körper und bilden eine richtige Mähne.
Der Schwanz
ist 50 bis 80 Zentimeter lang und trägt an der Spitze lange Haare. Er dient dazu, lästige Fliegen zu vertreiben.
Kräftige Beine
An den Füßen befinden sich Hufe aus festem Horn. Bei Angriffen von Wölfen oder Braunbären können sich die Wisente durch Tritte damit
hervorragend wehren.
Hörner
tragen Kühe und Bullen am Kopf. Diese sitzen auf den sogenannten Stirnzapfen, die bereits bei der Geburt vorhanden sind.
Augen und Ohren
Der Wisent kann nicht so gut sehen, dafür gut hören. Seine Ohren sind kurz, breit und dicht behaart.
Supernase
Wisente können sehr gut riechen. Ihre Nase hilft ihnen, den Weg zurück zu ihrer Herde zu finden, wenn sie den Anschluss verloren haben. In der Paarungszeit erschnuppern die Bullen den Weg zu einer Herde.
Zähne und Zunge
Alle Schneide- und Eckzähne sitzen im Unterkiefer. Im Oberkiefer haben Wisente in diesem Bereich keine Zähne, sondern eine Knorpelleiste. Pflanzenteile werden mit der Zunge erfasst, zwischen Schneidezähne und Hornplatte geklemmt und abgerissen. Mit den Backenzähnen wird die Nahrung zermahlen.
Schon gewusst?
Meistens bewegen sich Wisente im Schritttempo fort. Aber sie können auch richtig Gas geben. Im Galopp erreichen sie eine Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometer pro Stunde. Sie können breite Gräben und bis zu zwei Meter hohe Hindernisse überspringen.
Wisente in Not
Die ausgewilderten Wisente haben sich in der freien Natur vermehrt. Dennoch ist unsicher, ob die Tiere es schaffen werden,
in ihrer neuen alten Heimat dauerhaft zu überleben. Warum?
Mangel an Lebensräumen
Vor allem in Mittel- und Westeuropa fehlen natürliche Waldlebensräume, in denen große Wisentherden genug Platz finden würden. Landwirtschaftliche Flächen und Wirtschaftswälder nehmen den meisten Raum ein.
Konflikte mit Menschen
Manche Menschen finden es nicht gut, dass Wisente in bestimmte Gebiete zurückkehren. Einige fürchten, die Wisente könnten zu viele Bäume in Wäldern schädigen. Andere fürchten um ihre Ernte. Oder haben Angst, die großen Tiere könnten Verkehrsunfälle verursachen. Dass Wisente Menschen angreifen, ist allerdings sehr unwahrscheinlich.
Isolierte und zu kleine Herden
Damit Wisente auf Dauer und ohne Hilfe durch den Menschen in einem Gebiet überleben können, muss ihr Bestand eine Mindestgröße von rund 150 erwachsenen Tieren haben. Ein Großteil der heute frei lebenden Wisente lebt allerdings in viel kleineren Gruppen, die durch Straßen, Siedlungen und Äcker voneinander getrennt sind. So können Wisente sich nicht mit Tieren aus anderen Herden paaren.
Die Rote Liste sagt: Den Wisenten geht es noch ganz gut.
Mehr über die Rote Liste und die verschiedenen Gefährdungsstufen erfährst du hier.
Wisente für den Kaukasus
Rund 100 Jahre lang hat es im Kaukasus keine Wisente mehr gegeben. Nun gibt es Hoffnung für die großen Wildrinder. In verschiedenen Projekten werden sie zurück in ihre ursprüngliche Heimat gebracht, um dort Nachwuchs zu zeugen und neue Herden zu gründen. Wir zeigen dir, was in so einem Projekt genau passiert.
Unser Plan
Wir wollen, dass wieder Wisent-Herden durch die Bergwälder und über die Bergwiesen des Kaukasus ziehen. Wir bringen einzelne
Tiere aus Zoos und Wildparks in Deutschland und anderen Ländern Europas in den Kaukasus. Dort sollen sie in freier Natur ungestört
leben, sich paaren und vermehren.
Schau dir das Video einer langen Wisent-Reise an.
Von Berlin in den Kaukasus
1 Gut geschützt unterwegs
Die Wisente werden in Tiertransportboxen mit dem Flugzeug von Deutschland aus in den Kaukasus geflogen. Dort am Flughafen gelandet, werden die Wisente in ihren Boxen auf Lastwagen geladen und in das Auswilderungsgebiet gefahren. Auf der ganzen Reise kümmern wir uns mit einem Tierarzt darum, dass es den Wisenten gut geht.
2 Pause und Erholung
Nach dem Transport werden die Wisente erst einmal aus ihrer Transportkiste in ein Auswilderungsgehege freigelassen.
3 Am Ziel angelangt
Danach werden die Wisente in einen Nationalpark im Kaukasus gebracht. Das ist dann ihre neue Heimat. Dort gibt es ausreichend Platz und Nahrung für rund 500 Tiere.
Bevor wir die Wisente in die Wildnis entlassen, legen wir ihnen Senderhalsbänder an. So wissen wir jederzeit, wo sich die Tiere gerade aufhalten und wohin sie ziehen.
Außerdem bringen wir an verschiedenen Standorten im Nationalpark Kamerafallen an. So erfahren wir zum Beispiel von Jungtieren und ob die Wisente gesund sind.
Was wir bereits erreicht haben
Im November 2023 verließen weitere zehn Wisente den Tierpark Berlin und den Wildpark „Alte Fasanerie“ Hanau in Richtung Aserbaidschan im Kaukasus, wo sie im Shahdag-Nationalpark eine neue wilde Heimat gefunden haben. Seit 2009 wurden dort vom WWF und von Tierparks insgesamt 46 Wisente ausgewildert. Die Tiere haben sich auch schon vermehrt: Ihr Bestand ist inzwischen auf 60 Wisente angewachsen.
Bis zum Jahr 2028 sollen insgesamt 100 Wisente aus europäischen Zoos im Kaukasus ausgewildert werden. Du siehst: Wir haben noch viel vor!
Wie kommt ein Wisent ins Wohnzimmer?
Oder ein Luchs ins Gebüsch? Das geht jetzt mit ein paar Klicks auf deinem Handy oder Tablet. Probiere es aus.